Ortsunabhängig arbeiten bei St. Oberholz

2005 als erstes Coworking-Cafe in Europa gegründet, unterstützt St. Oberholz Consulting heute bei der Suche und dem Ausbau von Headquarter-Lösungen. Co-Founder Malte Sudendorf gibt uns einen Einblick hinter die Kulissen.

GetRemote Interview mit St. Oberholz

2005 gegründet, war das St. Oberholz am Berliner Rosenthaler Platz 2005 das erste Coworking-Cafe Europas. Entstanden ist ein kreativer Knotenpunkt, der inzwischen international bekannt ist und als Meilenstein in der Geschichte des Coworking in Europa gilt.

Als zentraler Ort der deutschen Startup-Szene hat St. Oberholz die ideale Wachstums-Umgebung für Unternehmen wie Soundcloud, Zalando, Hello Fresh u.v.m. geschaffen. Diese Pionier-Erfahrung fließt in die Entwicklung und Gestaltung innovativer Konzepte für das, was andere “neue Arbeit” nennen, ein.

Heute unterstützt St. Oberholz bei der Suche und dem Ausbau von Headquarter-Lösungen, stattet Büros aus, kreiert zusammen mit Standortentwickler:innen neue Orte der Arbeit und unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung individueller Konzepte für wirksame und erfolgreiche Zusammenarbeit, immer mit dem Anspruch: Redefining New & Work.

Das St. Oberholz Consulting-Team besteht aus Organisationsentwickler:innen, Kreativen und Spezialist:innen für Bricks, Bytes und Behaviour. Das Team begleitet Unternehmen bei der maßgeschneiderten Interpretation des Buzzwords „New Work“, bei der Entwicklung neuer Konzepte für wirksame Arbeitskultur und aktivitätsbasiertes Arbeiten und entwickelt Lösungen für „New Offices“. St. Oberholz Consulting hat Standorte in Berlin, Düsseldorf und Bad Homburg.

 

Steckbrief

  • Unternehmen: St. Oberholz Consulting
  • Mitarbeiterzahl: 10
  • Modell: Half Remote
  • Interviewpartner: Malte Sudendorf, Co-Founder St. Oberholz Consulting

 

Wie genau sieht euer flexibles Arbeitsmodell aus? Arbeitet ihr (nur) ortsunabhängig oder auch zeitunabhängig?

Inzwischen beides! Tatsächlich hat sich das durch die Pandemie stark verändert. Zwar haben wir schon immer dezentral, vor allem aber in unserer “Heimatstadt” Berlin gearbeitet – das ergibt sich einfach durch unsere DNA und die Tatsache, dass wir in Berlin verschiedene Co-Working-Orte betreiben.

Im Consulting Team sind wir in der Pandemie jedoch stark gewachsen und – zunächst ungesteuert – vermehrt Kolleg:innen dazugewonnen, die gar nicht in Berlin leben, sondern eben im Rheinland oder im Frankfurter Raum. Also haben wir uns auch dort Office-Strukturen geschaffen.

Heute arbeiten wir alle an unterschiedlichsten Orten in ganz Deutschland verteilt. Dennoch ist es für uns wichtig, uns in Kleingruppen oder im ganzen Team 1-2 mal im Monat auch persönlich zu treffen. Den Standort definieren wir gemeinsam – mal ist es Düsseldorf, mal Bad Homburg und natürlich ist uns auch das Arbeiten an einem unserer St. Oberholz Standorte in Berlin wichtig. Die Standort-Teams haben sich sogenannte Office Days eingerichtet und steuern das selbstorganisiert.

Mit Blick auf unsere Arbeitszeit arbeiten wir zwar nicht vollständig zeitunabhängig – wir betreuen eben Kunden, für die wir auch erreichbar sein wollen. Aber wir handhaben unsere Arbeitszeiten sehr flexibel. Für unser Team sind wir von Montags bis Freitags von 9 bis Uhr 18 erreichbar, das heißt aber nicht, dass ein jeder von uns in dieser Zeit durchgehend arbeitet. Es ist vielmehr ein Rahmen, der uns Sicherheit gibt: Zum einen entsteht dadurch nicht das Gefühl oder der Druck, dass man noch um 18:30 Uhr das Telefonat des Kollegen oder der Kollegin annehmen muss.

Es passiert auch nicht selten, dass man eine:n Kolleg:in im Supermarkt oder auf den Spielplatz erwischt oder nicht direkt telefonisch erreicht. Dann bekommt man in der Regel aber relativ schnell eine Rückmeldung.

Längere Abwesenheiten – ganz gleich ob privat oder geschäftlich – werden in unseren globalen Kalender eingetragen. Diese Art von Einträgen findet man übrigens ständig in unseren Kalender: “Sport” “Kinder abholen” “Privat” “Beschäftigt/Nicht stören” “Fokuszeit”. Auch ist uns allen der Feierabend und das Wochenende heilig. Slack-Nachrichten oder Telefonate, die am Wochenende eingehen, werden eben erst am Montag beantwortet. Entscheidend ist für uns, dass wir dann arbeiten, wenn wir das Gefühl haben wirklich wirksam sein zu können.

Manchmal gibt es Tage, da ist ab 14.00 Uhr der Kopf so voll, dass man nichts mehr zu Papier bringt. Dann gibt es jederzeit die Möglichkeit, um sich rauszuziehen, abzuschalten und seine Batterie wieder aufzuladen. Wir glauben fest daran, dass der Mensch nicht 9 to 5, 7-8 Stunden am Stück auf Hochtouren laufen kann. Einige von uns arbeiten gerne morgens früh, sind Mittags dann länger raus und haben dann im Nachmittag nochmal einen “Arbeitsflow”. Andere hingegen arbeiten gerne am Stück und sind dann im späten Nachmittag dafür früher raus. Solange dies kommuniziert ist, hat man (fast) jede Flexibilität.

 

Warum habt ihr euch dafür entschieden, mit dem Team ortsunabhängig zuarbeiten?

Das hat sich mit unserem Wachstum ergeben und der Tatsache, dass wir tolle Menschen gefunden haben, mit denen wir zusammenarbeiten wollen und die eben nicht in Berlin leben. Wenn wir heute einstellen, muss sich der oder die Kandidat:in dennoch für die Zuordnung zu einem Standort entscheiden – das ist dann seine “Base”.

Entscheidend ist aus unserer Sicht aber die grundsätzliche Haltung zum Thema “Ort”: Für uns ist wirksame Arbeit nicht gekoppelt an einen bestimmten Ort, an ein gemeinsames Büro oder ein Gebäude. Je nach Aufgabe hat der Mensch unterschiedliche räumliche Anforderungen. Es gilt den richtigen Ort für die jeweilige Tätigkeit zu wählen und den benötigten Arbeitsmodus für die Aufgabe zu bestimmen. Wir nennen dies aktivitätsbasiertes Arbeiten.

 

Wie funktioniert ortsunabhängiges und flexibles Arbeiten? Wie lebt ihr das bei St. Oberholz?

Allererste Voraussetzung ist Vertrauen. Das ist von Anfang da und muss man sich nicht erst erwerben. Und dann braucht es natürlich auch noch Routinen. Damit wir gut abgestimmt sind und im Team jeden Tag zusammenkommen, haben wir ein paar regelmäßige Austauschroutinen definiert:

  • Weekly: Montags treffen wir uns für 30 Minuten, um die Woche zu besprechen, Unterstützungsbedarfe und Abwesenheiten zu klären.
  • Daily: Dienstags – Donnerstags haben wir ein 15-minütiges Daily, wo wir immer drei Fragen beleuchten:
    • Was habe ich gestern erreicht?
    • Was habe ich heute geplant?
    • Wo benötige ich Unterstützung und von wem?
  • Weekly Check Out: Freitags checken wir im Rahmen einer Mini-Retro gemeinsam aus und betrachten die “Hits und Shits”

Alle weiteren Abstimmungen und Informationen erfolgen bei uns hauptsächlich über Slack, Zoom oder telefonisch.

 

Mit welchen Tools arbeitet ihr?

Unsere Kommunikation verläuft über Slack. Intern schreiben wir so gut wie keine Mails (vielleicht 5% 😉 ). Darüber hinaus nutzen wir die gesamte Google Suite sowie Miro als digitales Whiteboard Tool und Mentimeter für Umfragen. Unsere Wissensdatenbank bilden wir über/mit Notion ab. Selbstverständlich haben wir noch viele weitere Tools im Einsatz, wie z.B. MS Teams. Je nach Kunde variieren die Tools, inzwischen sind wir da eigentlich auf fast allen Plattformen unterwegs, wenn der Bedarf da ist.

 

Worauf sollten Unternehmen besonders achten, die Home Office und remote work gerade neu etablieren?

Unternehmen sollten darauf achten, dass sie transparente Leitplanken und Regeln haben, an denen sich die Mitarbeitenden orientieren können, wie z.B. klare Regeln mit Blick auf Meetings: eine:r hybrid – alle hybrid? und Transparenz darüber schaffen, wer wann wo ist und wo diese Info festgehalten wird (z.B. im Kalender).

Wie bereits oben angesprochen, sind vor allem aber auch persönliche Treffen (z.B.Working Weeks und/oder Office Days) und gemeinsame Touchpoints im Alltag (z.B. Daily, Weekly) wichtig. Und nicht zuletzt darf nicht vergessen werden, dass der Raum “früher” eine Möglichkeit war, um eine Verbindung zwischen Mitarbeitenden und dem Unternehmen herzustellen. Fällt dieses Element nun teilweise oder sogar ganz weg, so gilt es neue Wege zu finden, um Teamgefühl, Vertrauen und Unternehmensidentität bei Mitarbeitenden aufzubauen.

Deswegen sind auch längere Rückzüge enorm wichtig. Das machen wir in der Regel einmal im Quartal – wir treffen uns und sprechen darüber, was in den nächsten Monaten wichtig wird, worauf wir achten wollen, wir wir einander unterstützen können.

 

Funktioniert erfolgreiches Führen auf räumliche Distanz anders als im Büro?

Ja. Und natürlich ist es dennoch nicht unanstrengend. Die Führung von verteilten Mitarbeitenden stellt neue Anforderungen an Kommunikation, persönliche Beziehungen zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden, aber auch zwischen Kolleg:innen untereinander. Hinzu kommt die Vielzahl und damit verbundene Komplexität an Tools und Systemen.

Das bestehende, etablierte Führungsinstrumentarium, welches sich i.d.R. vor allem auf das Führen im Raum/im Büro bezieht, reicht so kaum noch aus. Es bedarf erweiterte Verhaltensweisen und Regeln die sicherstellen, dass die Mitarbeitenden trotzdem wirksam geführt werden und somit zielgerichtet arbeiten können.

 

Mit welchem Vorurteil werden ortsunabhängige Teams oft konfrontiert und wie würdest du es entkräften?

Es ist tatsächlich noch der Klassiker: “Menschen, die nicht im Büro sind, arbeiten weniger / schlechter.” Wir können das einfach nicht bestätigen. Es kommt immer auf das Menschenbild an. Und wir glauben daran, dass ein jeder Mitarbeiter wirksam sein will. Diese Haltung ist der Treiber für gute Ergebnisse, nicht die Kontrolle der Arbeit an einem Ort.

 

Drei gute Gründe, warum mehr Unternehmen ihr Team ortsunabhängig(er) aufstellen sollten?

  1. Zugang nicht nur zu regionalen, sondern zu bundesweiten Talenten – der Pool an passenden Mitarbeitenden wird viel größer.
  2. Mehr Wirksamkeit und Flexibilität für die Mitarbeitende, bessere Vereinbarung von Privat- und Berufsleben.
  3. Treiber von Selbstverantwortung und Selbstorganisation – und das müssen die Mitarbeitenden auch mögen.

 

Welchen Tipp habt ihr für Leute mit dem Wunsch nach einer ortsunabhängigen Festanstellung?

Wenn man einen ortsunabhängigen Job sucht, finden wir folgende Fragen relevant und besprechen diese auch mit Kandidat:innen:

  • Heißt ortsunabhängig für mich auch zeit- und “team”-unabhängig?
  • Gibt es für den Arbeitgeber einen Unterschied zwischen Home Office und weiteren anderen Orten (z.B. Cafe, Coworking Space)? Wo möchte ich arbeiten?
  • Hat die Ortsunabhängigkeit geografische Grenzen? Reicht es aus, wenn ich mir “nur” in Deutschland die Orte aussuchen darf oder möchte ich von anderen europäischen Ländern oder Kontinenten aus arbeiten?
  • Möchte ich trotzdem regelmäßig mit dem Team persönlich zusammenkommen?
  • Welche Austauschroutinen erwarte ich und brauche ich, um gut arbeiten zu können?

 

Über mich

Ich bin Teresa und ich helfe Unternehmen Home-Office und remote work erfolgreich einzuführen. In meinem Blog findest du Portraits von Unternehmen, die bereits erfolgreich remote arbeiten und ich teile meine Herangehensweise an Remote Work und Leadership. Viel Spass beim Lesen!

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