Ortsunabhängig arbeiten bei Frontastic

Das native remote Unternehmen Frontastic bietet eine Cloud-Plattform, die Teams bei der Erstellung mobile first Frontends für die API-Wirtschaft unterstützt. Co-Gründer und COO, Henning Emmrich, erklärt im Interview, wie bei Frontastic gearbeitet wird.

GetRemote – Interview mit Frontastic

Wir bieten ein Frontend-as-a-Service für alle headless oder API-gesteuerten Lösungen, einschließlich Integrationen in viele eCommerce und Content Management Systeme wie z.B. commercetools, Spryker, About You Cloud, Shopify, contentful, Contentstack und viele andere.

Steckbrief

  • Unternehmen: FRONTASTIC GmbH
  • Mitarbeiterzahl: 30
  • Modell: Full Remote
  • Interviewpartner: Henning Emmrich, COO & Co-Founder

 

1. Henning, wie genau sieht euer flexibles Arbeitsmodell aus?

Wir sind 30 Mitarbeiter in 9 Ländern Europas. Aktuell fokussieren wir uns auf Europa, um die Zeitzonen-Thematik klein und um die Aufwände für persönliche Treffen gering zu halten.

 

2. Mit welchen Tools arbeitet ihr?

Im Wesentlichen Slack mit verschiedenen Bots, G Suite, Meetter (für interne Meetings) und Zoom für externe Meetings.

Im Folgenden ein paar Beispiele, was wir bei Frontastic tun, um den sozialen Austausch der Mitarbeiter zu fördern.

Fangen wir einmal am Montagmorgen an. Was passiert normalerweise im Büro? Man tauscht sich mit den Kollegen über das Wochenende aus. Genau das tun wir auch, nur asynchron, per Bot. Das ist nicht verpflichtend aber oft ergeben sich aus den kleinen Geschichten oder Fotos nette kleine Threads und jeder Beteiligte bzw. Leser weiß wieder etwas mehr über den anderen.

Jeden Mittwoch kommen wir mit einer ähnlich gearteten Frage: erzähl uns etwas mehr über dich. Konkret ist das ein Pool von sehr vielen unterschiedlichen Fragen aus dem zufällig gewählt wird: was ist dein nächstes Reiseziel, hast du eine Buchempfehlung, wie viele Instrumente spielst du, welches Talent möchtest du erwerben, und so weiter und so fort.

Auch hier ist es wieder toll zu sehen, wie auch ein schriftlicher, asynchroner Austausch es ermöglicht, Gemeinsamkeiten zu entdecken und persönliche Nähe herzustellen.

Am Freitag schließlich macht jeder Mitarbeiter für sich eine kleine Retrospektive, die sich an vier unserer Kernwerte orientiert:

  • “Make an impact“ – Gibt es irgendetwas oder irgendjemand das/den du hervorheben möchtest?
  • „We‘re in this together“ – was ist ansonsten gut gelaufen bei Frontastic?
  • „Thirst for learning“ – Gibt es irgendetwas, was dich frustriert oder dir Sorgen macht? Was war das größte Fuck-up oder das größte Learning?
  • „Transparency First”: Möchtest du noch etwas über deine Woche mitteilen? Es muss nicht unbedingt frontastisch sein.

Schließlich bewertet man die Woche noch in einer Zahl von 1-5 und schreibt kurz auf, welche Hauptziele man sich für die kommende Woche vornimmt. Das alles wird natürlich mit allen Mitarbeitern geteilt. Und natürlich nehmen auch alle Mitarbeiter, also auch das Leadership Team daran teil.

Auch täglich gibt es zwei Fragen, die man beantworten sollte: morgens die Frage danach, was man sich für den Tag vorgenommen hat und abends die Frage, ob es irgendwelche Highlights oder Lowlights gab und – wie in der Retrospektive – die Bitte, den Tag in einer Zahl zu bewerten. Hier hat man zusätzlich noch die Möglichkeit, die Zahl zu erläutern, damit die Kolleginnen und Kollegen es besser verstehen können.

Zwei weitere Bots prägen unsere Unternehmenskultur: der Kudos Bot und der Donuts Bot. Ersterer bietet die Möglichkeit, die Leistung von anderen hervorzuheben und diese mit unseren Werten zu verknüpfen. Davon wird sehr regelmäßig Gebrauch gemacht. Der zweite würfelt regelmäßig zufällige Meetings zwischen Mitarbeitern, so genannte Donut Talks. für uns ist dieser Austausch über Abteilungsgrenzen hinweg sehr wichtig.

Außerdem spielen geplante One-on-Ones eine wichtige Rolle: Jeder People Lead führt diese Gespräche per Video im Regelfall in einem Abstand von 4-6 Wochen mit allen Mitarbeitern, die er supportet. In meiner Rolle als COO und Integrator führe ich zusätzlich mit jedem Mitglied von Frontastic einmal im Quartal einen “Casual Talk” so genannten Smalltalk.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Technik uns hilft, den notwendigen sozialen Austausch zu pflegen.

Synchron vs. Asynchron

Neben dem sozialen Austausch spielt ein gesundes Verhältnis zwischen synchroner Kommunikation per Video und asynchroner Kommunikation per Slack eine Schlüsselrolle für die Produktivität unserer Company.

Die Zeiten der asynchronen Kommunikation nutzen wir zum Beispiel für das fokussierte Arbeiten oder natürlich auch für die Kommunikation mit Kunden und Partnern. Der Clou ist, dass wir die Zeiten für die synchrone Kommunikation organisiert haben.

Effizientes Arbeiten ermöglichen

Um die Abstimmung per Video möglichst effizient zu gestalten, haben wir uns dazu entschlossen, ein spezielles Tool einzusetzen:

Meetter. Wenn man über Meetings spricht, hat man ein bestimmtes Bild vor Augen, dass durch die alte Welt geprägt ist: zu wenig Räume, in großen Organisationen: das Finden der Räume, das Warten auf das Eintreffen aller Teilnehmer, …

Als Remote-Organisation sieht das natürlich anders aus: die Anzahl der Meetingräume ist praktisch unbegrenzt, die Teilnahme beziehungsweise das Auffinden nur einen Klick entfernt. Das muss logischerweise Konsequenzen auf die Art und Dauer der Meetings haben.

Anstelle von langen Besprechungen mit vielen Teilnehmern treten kurze Abstimmungen mit den relevanten Personen. Meetter ist in einer asynchronen, verschriftlichten Welt zu Hause. Daher werden per default alle Meetings aufgezeichnet und ein großer Editor unterhalb der Video Bilder lädt dazu ein, die wesentlichen Punkte des Meetings zu protokollieren. Beides, also der Mitschnitt und die Notes, werden in den entsprechenden Thread auf Slack zurück geschrieben. Das sorgt für Transparenz.

Ein weiterer spannender Punkt ist, dass Meetings nicht für einen festen Zeitpunkt geplant werden, sondern andersherum die Mitarbeiter bestimmen, in welchem Zeitfenster sie generell bereit sind für synchrone Kommunikation. Damit die Wahrscheinlichkeit für gemeinsame Termin-Slots möglichst hoch ist, haben wir bestimmte Zeiten unternehmensweit festgelegt. Das ist zum Beispiel die Zeit 8-9 AM und 11-12 AM für die europäische Zeitzone und 3-4 PM für die US-Ostküste..

Ein neues Meeting stelle ich wie gesagt nicht zu einem festen Zeitpunkt ein, sondern man legt lediglich das Thema, die Personen und die Priorität fest. Anhand dieser Kriterien wird der nächstmögliche freie Slot bestimmt. Es gibt noch einige zusätzliche Einstellungen, so dass man praktisch alle Anforderungen abdecken kann.
Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: für uns hat dieses Vorgehen im wesentlichen drei Vorteile:

  1. Der Tag ist besser strukturiert, es gibt Zeiten für die synchrone Kommunikation und Zeiten, in denen man sich auf komplexere Themen fokussieren kann. Das ist insbesondere für uns als Firma, die einen Großteil ihrer Wertschöpfung aus der Wissensarbeit ihrer Mitarbeiter holt, sehr wichtig.
  2. Die Überführung des synchronen Meetings in unsere asynchrone Arbeitswelt durch die Verschriftlegung der Ergebnisse und Veröffentlichung des Mitschnitts (übrigens mit Transcription).
  3. Die situative Planung der Meetings auf Basis der aktuellen Verfügbarkeit der Teilnehmer und der Priorität des Themas.

Hierzu noch eine kurze Erläuterung: Wenn sich bei der klassischen Planung per Outlook oder Google Kalender Verschiebungen ergeben – wie zum Beispiel durch neue, dringende Themen oder durch Teilnehmer, die aufgrund eines Kundentermins nicht mehr teilnehmen können, muss mühsam von Hand verschoben und neu arrangiert werden.

Mit Meetter passiert das vollkommen automatisch. Die Schattenseite ist allerdings, dass man sich auf diese dynamische Planung einlassen muss, da sich theoretisch bis kurz vor Start des Meeting Slots noch Verschiebungen ergeben können.

 

3. Warum hat du dich dafür entschieden, mit deinem Team ortsunabhängig zu arbeiten?

Der ausschlaggebende Punkt für uns war, dass wir davon überzeugt sind, dass Remote Native der einfachere Weg ist – in Bezug auf die Kommunikation. Denn wenn man auch nur davon ausgeht, dass mindestens ein Mitarbeiter Remote arbeitet, muss man seine Kommunikation umstellen, um diese Person nicht auszugrenzen.

Jeder hat es bestimmt schon einmal so ein Meeting erlebt, in dem alle am Tisch saßen und eine Person per Video oder einfach nur über die Telefonspinne auf dem Tisch hinzu geschaltet worden ist. Wer kann sich daran erinnern, dass diese Kommunikation gut geklappt hat? Ich persönlich habe keinen Fall erlebt.

Genau diesen Effekt hat man – auf die gesamte Kommunikation erweitert – wenn ein Teil der Mitarbeiter im Büro und ein Teil in ihren Home-Offices sitzen.

Da heute jeder zu Hause mehr Bandbreite zur Verfügung hat, als anteilig im Office, ist diese technische Voraussetzung einfach zu erfüllen. Selbst unterwegs ist man fast überall per LTE bestens angebunden. Ein Notebook, eine gute WebCam sowie ein HeadSet vervollständigen die Grundausstattung.

Software wird heute aus der Cloud konsumiert. Verwendet man Googles G Suite, reicht ein einfacher Browser und man kann arbeiten. Bei Microsoft sieht das theoretisch ähnlich aus, ist in der Praxis jedoch deutlich aufwändiger. Auch die restlichen Tools, die man als Softwarehersteller braucht, lassen sich alle als Cloud Service konsumieren.

 

4. Arbeitet ihr (nur) ortsunabhängig oder auch zeitunabhängig?

Sowohl als auch. Die Mitarbeiter richten sich nach den Anforderungen in ihren Teams. Dadurch dass wir bemüht sind, sehr asynchron zu arbeiten, haben wir keine großen Abhängigkeiten von der zeitlichen Anwesenheit einzelner.

 

5. Welche Startschwierigkeiten hattest du mit der Einführung des flexiblen Arbeitsmodells? Was ist dein größtes Learning aus der Umstellungsphase?

Wir sind remote native, d.h. es gab keine Umstellungsphase.

Wenn ich auf die zurückliegenden zweieinhalb Jahre zurück schaue, beeindruckt mich, wie schnell und reibungslos unser Wachstum geklappt hat. Dies beinhaltet ja unterschiedlichste Aspekte:

  1. Mitarbeiter finden,
  2. Mitarbeiter in das Team integrieren
  3. Prozesse etc. skalieren.

Von dem Aufsetzen einer Stellenanzeige bis zum Einstellen der neuen Mitarbeiter vergehen bei uns in der Regel drei Wochen. Und das bei Positionen, die – so hören wir von klassischen Unternehmen – oft sehr schwer zu besetzen sind. Einzig wenn es um das Einstellen von Personen mit regionalem Bezug geht (z.B. Sales für Deutschland), tun auch wir uns mit dem Finden schwerer.

Ob es uns gelungen ist, die neuen Teammitglieder zu integrieren, kann ich am besten den Zahlen entnehmen: Wir messen sehr regelmäßig anonym die Zufriedenheit von unseren Leuten in unterschiedlichsten Kategorien. Über die letzten zwölf Monate ist insgesamt die Zufriedenheit sogar gestiegen. Natürlich gibt es auch Bereiche, die schlechter geworden sind und die wir verbessern müssen.

Durch unsere Retrospektiven ist es uns ganz gut gelungen, unsere Prozesse und Tools regelmäßig zu überdenken. So haben wir zum Beispiel gerade die Art, wie wir Slack nutzen, komplett überarbeitet. Denn es macht natürlich einen riesen Unterschied, ob man mit fünf Leuten kommuniziert oder mit 30.
Das verschriftlichen der Kommunikation hilft natürlich dabei, asynchron zu arbeiten.

Was wir vorher nicht erwartet haben, ist, dass es uns auch dabei hilft, unabhängig von der Anwesenheit an einem Standort zu werden. Ich gebe einmal ein Beispiel: in einem klassischen Unternehmen ist man aus der Kommunikation ausgeschlossen, sobald man das Bürogebäude verlässt. Das ist bei uns nicht so und es fühlt sich sehr gut an. Insbesondere für Personen die zum Beispiel vertrieblich viel unterwegs sind, ist es eine Chance, in hohem Maße in das Unternehmen integriert zu bleiben.

Ein anderes Beispiel ist Urlaub: kommt man aus dem Urlaub wieder, kann man bei uns ein ganz gutes Gefühl dafür bekommen, was passiert ist, wenn man die wöchentlichen Retrospektiven überfliegt, in das Work Log (Mini Blog Posts zu wichtigen Arbeitsergebnissen oder Entscheidungen) schaut, und in Company Announcements.

Am meisten jedoch begeistert mich, wie sehr es uns gelungen ist, Kultur zu schaffen. Frontastic ist nicht nur ein Haufen von Leuten die von einer Stelle bezahlt werden, sondern wir haben ein wirkliches Wir-Gefühl. Die Mitarbeiter kümmern sich umeinander und es gibt viele persönliche Beziehungen. Natürlich habe ich alles dafür gegeben, dass es so kommt – aber dennoch übertrifft es meine Erwartungen.

Übrigens, ein Thema, dass uns logischerweise komplett erspart geblieben ist, ist die Suche nach neuen Büroräumen. Als schnell wachsende Firma mit 30 Mitarbeitern hätten wir uns mindestens zweimal auf die Suche machen müssen.

 

6. Funktioniert erfolgreiches Führen auf räumliche Distanz anders als im Büro?

Anders herum, das gute Führen, dass wir praktizieren, klappt auch im Büro. Was ich damit meine, ist, dass wir uns als Leader verstehen und nicht doof Aufgaben delegieren sondern uns bemühen, Mitarbeiter zu stärken, zu entwickeln. Das tun wir z.B. durch alle 4-8 Wochen statt findende One-on-One Gespräche (per Video natürlich). In klassischen Unternehmen sind viele Mitarbeiter schon glücklich, wenn ihr Chef sich einmal im Jahr Zeit für solch ein Gespräch nimmt.

 

7. Mit welchem Vorurteil werden ortsunabhängige Teams oft konfrontiert und wie würdest du es entkräften?

Das größte Vorurteil ist, dass die Menschen nur arbeiten, wenn man sie kontrolliert. Guckt man sich mal die e-Commerce-Verkaufzahlen an, stellt man fest, dass diese Kontrolle offensichtlich nichts bringt. Sobald der Chef aus dem Zimmer ist, wird fröhlich weiter geshopt.
Wir fokussieren uns auf Motivation.

 

8. Drei gute Gründe, warum mehr Unternehmen ihr Team ortsunabhängig(er) aufstellen sollten?

  •  größerer Pool an Mitarbeitern verfügbar
  • fokussierteres, produktiveres Arbeiten
  • keine Zeitverschwendung für den Arbeitsweg – auch ökologisch sinnvoll

 

9. Welchen Tip hast Du für Leute mit dem Wunsch nach einer ortsunabhängigen Festanstellung?

Einfach machen!

 

Über mich

Ich bin Teresa und ich helfe Unternehmen Home-Office und remote work erfolgreich einzuführen. In meinem Blog findest du Portraits von Unternehmen, die bereits erfolgreich remote arbeiten und ich teile meine Herangehensweise an Remote Work und Leadership. Viel Spass beim Lesen!

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