Wie kann ein Programmierer ortsunabhängig arbeiten?

Im Interview erzählt ein ortsunabhängiger Programmierer seine Beweggründe, wie er seine Arbeit mit dem Familienleben vereinbart, von seiner Arbeitsweise und wie er mit seinem Arbeitgeber in Kontakt bleibt.

Meine Aufgabe im Unternehmen ist zum einen die Kundenbetreuung weltweit. Dies allerdings nicht im klassischen Sinne einer Kundenbetreuung. Unsere Firma vertreibt eine Software, hauptsächlich an den Finanzsektor. Ich kümmere mich darum, dass diese Software auf den Servern unserer Kunden eingesetzt und benutzt werden kann. Da die Software sehr individuell und „customized“ ist, braucht es dafür einen Programmierer.

Außerdem bin ich für die Infrastruktur zuständig, mit der kundenspezifische Files erstellt und verteilt werden können. Hier arbeiten wir ausschließlich mit Unix und Git und auf der Mac Oberfläche. Für mich als Windows-User war das allein schon eine grosse Umstellung.

 

1. Seit wann arbeitest du in einer ortsunabhängigen Festanstellung?

Ich arbeite seit knapp einem Jahr in diesem Unternehmen. Als studierter Ingenieur der Mikrosystemtechnik, habe ich fast 10 Jahre als Angestellter in führenden Unternehmen in der Industrie gearbeitet. Nachdem ich als Key Account Manager schlussendlich viel unterwegs war und zeitgleich Nachwuchs kam, war eine ortsunabhängige Festanstellung für mich die beste Lösung.

Allerdings gehörte zu dem neuen Job auch ein komplettes Umdenken dazu. Ich bin nach wie vor dabei, die Programmiersprache zu lernen sowie die Arbeitsweise eines Programmierers, die sich komplett der des Ingenieurs unterscheidet. Aber es macht unheimlich viel Freude.

2. Wie sieht eine typische Arbeitswoche bei dir aus?

DIE typische Arbeitswoche gibt es bei mir nicht. Da unsere Kunden auf der ganzen Welt verteilt sind, bin ich zwischen 7 Uhr und ca. 20 Uhr stets mit meinem Laptop bewaffnet und jederzeit bereit, aktiv zu werden. Es gibt Tage, die komplett ausgefüllt sind, an anderen Tagen bleibt sehr viel Zeit für die Familie.

3. Wie sieht euer flexibles Arbeitsmodell aus und wozu nutzt du die gewonnene Flexibilität?

Es gibt sozusagen kein Arbeitsmodell im eigentlich Sinne. Kommt eine Anfrage rein, wird diese innerhalb 1-2 Stunden bearbeitet. Ich arbeite momentan in der Schweiz, wo ich mit meiner Familie lebe. Mein Standort liegt in einer idealen Zeitzone, damit die Märkte in USA und Asien gut abgedeckt werden können. So muss ich nachts nicht raus. Zumindest nicht wegen der Arbeit.

Ich bin zu 100% angestellt und dementsprechend verfügbar.

Die Flexibilität nutze ich hauptsächlich für meine Familie. So habe ich mindestens einen „Papitag“ während der Woche. Aber auch Dinge wie Fitnessstudio und Termine kann ich auf den Vormittag legen. Dann ist nichts los und man kann die Zeit einfach besser nutzen.

Auch zum Reisen ist der Job natürlich ideal. Urlaub muss ich im Prinzip keinen mehr eintragen. Letztes Jahr hatte ich zwei Wochen Urlaub, bin aber 8 Wochen unterwegs gewesen. Das lässt sich toll vereinbaren und gibt einem richtig viel Freiheit.

4. Wie haltet ihr den sozialen Aspekt der Zusammenarbeit aufrecht?

Wir sind zwar insgesamt knapp 2000 Mitarbeiter im Unternehmen, doch im engeren Umfeld habe ich mit ca. 10 Leuten zu tun. Slack und die Google Suite helfen mir dabei, mit den Leuten zu kommunizieren. Ich kenne 2 Mitarbeiter tatsächlich persönlich. Alles andere läuft online ab.

5. Hat sich an deinem Verhältnis zur Arbeit und zu deinem Arbeitgeber etwas verändert?

Nein, da ich dort gleich im ortsunabhängigen Arbeitsverhältnis begonnen habe. Ich kenne diese Firma daher nicht anders.

6. Welchen Tip hast Du für Leute mit dem Wunsch nach einer ortsunabhängigen Festanstellung?

Das ortsunabhängig Arbeiten ist genial und bietet einem unheimlich viel Freiheit und gleichzeitig auch die Sicherheit der Anstellung. Aber es gibt selbstverständlich auch Herausforderungen. Gerade im Home Office ist es nicht ganz leicht fokussiert zu bleiben. Vor allem, wenn man Familie hat. Auch für den Lebenspartner ist es nicht ganz easy, denn „Mann“ ist ja zuhause und kann auch mal anpacken bzw. Windeln wechseln usw. Auch auf Reisen braucht es eine grosse Disziplin. Überall gibt es Ablenkung.

Daher suche dir einen Job, der dir wirklich gefällt. Das ist wirklich wichtig. Du brauchst dein „Warum„! Wenn du das nicht hast, wird es meiner Meinung nach relativ schwierig. Eine ortsunabhängige Festanstellung kommt einer Selbstständigkeit schon sehr nahe. Daher musst du für den Job brennen.

Außerdem hat es sicher Sinn, über den Tellerrand zu schauen. Damit meine ich, dass auch Jobs in Frage kommen können, die englischsprachig sind, so wie meiner. Paar Überstunden, dann klappt das mit der Sprache auch schnell. Nur Mut.

7. Welchen Rat kannst du Unternehmen mit auf den Weg geben, die überlegen, ihr Team ortsunabhängig(er) aufzustellen?

Nutzt die richtigen Tools. Vertraut euren Mitarbeitern. Wäre es mein Unternehmen, würde ich regelmäßig die Motivation meiner Mitarbeiter überprüfen. Das finde ich wichtiger als beispielsweise die Arbeitszeit. Ich habe mal in einem Unternehmen gearbeitet, da nannte sich das „Happy Employee Index“.

Außerdem gebt euren Mitarbeitern die Unternehmensziele mit auf den Weg. Das kann das „Warum“ des Mitarbeiters verstärken.

 

Vielen Dank für das Interview!

Über mich

Ich bin Teresa und ich helfe Unternehmen Home-Office und remote work erfolgreich einzuführen. In meinem Blog findest du Portraits von Unternehmen, die bereits erfolgreich remote arbeiten und ich teile meine Herangehensweise an Remote Work und Leadership. Viel Spass beim Lesen!

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